Marie

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ISBN: 396111756X
ISBN 13: 9783961117567
Autor: Lehmann, Anja
Verlag: Nova MD GmbH
Umfang: 380 S.
Erscheinungsdatum: 06.07.2018
Auflage: 1/2018
Format: 3.2 x 21.5 x 14
Gewicht: 483 g
Produktform: Kartoniert
Einband: KT

Prolog ‚Das Verlangen über andere Menschen zu herrschen, um sich dadurch zu bestätigen, ist der Fluch dieser Welt.‘ (Wallace D. Wattles) ‚Marie, versprich mir, dass du lebst!‘ Ihre Mutter hatte einen flehenden und gleichzeitig unglaublich klaren Gesichtsausdruck. Sie sprach die Worte deutlich aus, auch wenn ihr das Reden sichtlich schwerfiel. ‚Mama, sag so etwas nicht. Unsere Familie gehört zusammen. Ich will nicht gehen, sondern helfen.‘ Marie fasste ihre Hand und blickte auf das schweißüberströmte, schmerzverzerrte Gesicht. Als die Wehe abebbte, schüttelte ihre Mutter abermals energisch den Kopf. ‚Wenn du bleibst, werden Sarah und du sterben. Wir anderen sind sowieso dem Tod geweiht, ihr beide aber könnt es schaffen.‘ Sie hielt inne und schnaufte schwer. Die Geburt des neuen Kindes war eine Frage der Zeit. Marie stand auf und wechselte liebevoll den Waschlappen, um ihn Mama auf die Stirn zu legen. ‚Mischa wird bald hier sein‘, sprach sie beruhigend auf sie ein. Doch ihre Mutter machte nur eine lapidare Handbewegung, als ob sie eine lästige Fliege verscheuchen wollte. ‚Hör mir gut zu. Die Nazis kennen keine Gnade. Sie werden kommen und uns holen, genau wie deinen Vater und Tobi und den Rabbi.‘ Sie hielt inne und überlegte kurz. ‚Marie, diese Menschen hassen alles, was anders ist als ihre eigene Ideologie. Versuche nicht, das zu verstehen, sondern sei klüger als sie. Bleib am Leben, um etwas von unserer Familie zu bewahren. Du erinnerst dich an den Brief von Vater? Halte dich an seinen Rat. Falls mir etwas zustößt, wird euch Frau Zajaci aufnehmen, bis ihr wisst, was zu tun ist. Und Marie.‘ Mama fand kaum die Kraft, weiterzusprechen. Marie sah sie eindringlich an. ‚Ja, Mama?‘ ‚Vertraut auf Gott. Er wird euch führen!‘ Marie starrte ihre Mutter ungläubig an. Dieser Spruch passte nicht zu ihr und auch nicht der Nachdruck, mit dem sie ihre Bitte ausgesprochen hatte. ‚Mama. Der Schmerz, es ist bestimmt nur der Schmerz, der dich so reden lässt. Morgen ist wieder alles gut.‘ Geschüttelt von einer neuen Welle Wehen krümmte sich ihre Mutter. Doch sie starrte Marie mit solch durchdringendem Blick an, dass diese verstummte. ‚Alles, was du willst. Ich verspreche, dass ich mein Bestes geben werde!‘, flüsterte Marie und sah sie an. In diesem Moment kam die Geburtsdame aus dem Nachbardorf herein. Eilig schritt sie zum Bett der Gebärenden, nickte und sagte bestimmt: ‚Frau Dostojewski, das Baby kommt gleich. Nehmen Sie das zur Beruhigung.‘ Mischa flößte der Gebärenden einen fingerhutgroßen Becher dickflüssiges Gebräu ein und untersuchte nun genauer den Unterleib. ‚Das wird ein sehr großes Baby. Sie müssen gut mitpressen!‘ Sie sprach nicht aus, was sie dachte, das wusste Marie. Es war kein Geheimnis, dass ihr jüdischer Vater Julian Dostojewski weggebracht worden war, wie man es sich in dem kleinen Dorf von Tür zur Tür zuraunte. Er war der einzige Arzt im Umkreis von fünfzig Kilometern gewesen, und so war es unmöglich, auf die Schnelle einen anderen Arzt herbeizurufen. Mit konzentrierter Miene überwachte Mischa jetzt den Puls der Mutter. Zu Marie gewandt flüsterte sie: ‚Lauf und hol deine Schwester. Wir werden jede Hilfe brauchen!‘ Die Hebamme meinte Maries jüngere Schwester Sarah, die gerade mit dem Nachbarsmädchen spielte. Wortlos verließ Marie das Zimmer. Sie traute sich nicht zu fragen, ob mit der Geburt irgendetwas nicht in Ordnung war. Als sie ohne Sarah, dafür aber mit ihrer Nachbarin Lydia Kowalski im Schlepptau zurückkehrte, bot sich ihr ein erschreckendes Bild. Die sonst so ruhige Hebamme hatte einen panischen Gesichtsausdruck. Ihre Mutter lag leichenblass auf dem durchgeschwitzten Bett. Sie atmete zwischen den immer schneller kommenden Wehen heftig und unregelmäßig. Ohne zu fragen, was zu tun sei, wechselte Marie den Waschlappen erneut und legte ihn ihrer Mutter auf die Stirn. Dann setzte sie sich ans Kopfende und hielt ihre Hand. Mischa redete der Patientin ohne Unterlass gut zu. Doch Maries Mutter keuchte und wimmerte jetzt vor S

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Beschreibung

Kapitel 1 - Der Gutshof Sarah Es war Abend geworden. Jetzt wurde es deutlich früher dunkel, doch an diesem Tag blickte Sarah von ihrem Kammerfenster auf einen leuchtenden Oktoberherbsthimmel. Hinter den rotgelben Streifen bildete sich ein dunkles Schwarz. Bald würde es Nacht werden. Für heute war die Arbeit beendet, und sie hatte die Erlaubnis erhalten, sich in das enge Zimmer, das sie mit Marie teilte, zurückzuziehen. Sie warf einen Blick zu ihr hinüber, doch zu ihrem Bedauern schien ihre große Schwester sie gar nicht wahrzunehmen. Seitdem sie nach Berlin auf den Gutshof von Graf Anton von Scharenegger gekommen waren, verhielt Marie sich oft so. Sie starrte vor sich hin und gab ihr selten Antwort. Dabei hatten sie doch nur noch sich. Nach dem tragischen Tod von Mama war es steil bergab gegangen. Nein, eigentlich schon ab dem Zeitpunkt, an dem Papa und Tobi nach Warschau abgeholt worden waren. Für Sarah hatte es sich im ersten Moment wie ein großes Abenteuer angehört, und sie träumte davon, Papa in der Hauptstadt mal zu besuchen. Als sie das Marie gestand, hatte diese sie nur böse angeguckt. 'Du hast doch keine Ahnung. Sei froh, solange sie dich in Ruhe lassen', hatte sie geantwortet. So hatte Sarah angefangen, sich mit ihrer besten Freundin Esra auszumalen, was sie wohl erleben würden, wenn sie von dem Hundertseelendorf weggingen. Sie vermisste Esra und am meisten natürlich Mama. Sie stellte sich vor, wie sie vom Himmel auf sie herabblickte. In ihren Träumen lächelte sie dabei. Ansonsten war das Leben auf dem Gutshof nicht so schlimm, wie sie es sich vorgestellt hatte. Der Graf war zwar ein leidenschaftlicher Nazi, er hatte tatsächlich vor seinem Anwesen die Hakenkreuzflagge gehisst, und im Eingangsbereich hing ein überdimensionales Gemälde mit dem Antlitz des Führers, das Sarah jeden Tag akribisch abstauben musste, doch sonst war er durchaus erträglich. Die Bediensteten waren zum großen Teil Deutsche, doch außer Marie und Sarah waren noch drei weitere Ostarbeiterinnen auf dem Anwesen tätig. Sarah ließ sich mit Begeisterung den ganzen Gutshof zeigen. Während sie putzte oder Gemüse schälte, spielte sie in Gedanken, dass ihr der Hof gehören würde. Sie war dann eine schicke Gutsherrin, gekleidet in die besten Gewänder. Sie sah sich an einem feingedeckten Tisch mit dem Tafelsilber von den köstlichsten Speisen essen, die ihr von einem Diener gebracht wurden. Dabei unterhielt sie sich damenhaft mit ihrem Gemahl, nicht dem schon leicht ergrauten Anton von Scharenegger, sondern einem hübschen Jüngling, der sie auf Händen trug. Wie gerne hätte sie diese Fantasien mit Esra geteilt, doch ihre Freundin hatten sie nicht mitgenommen. Als die Wagen an jenem grauenvollen Morgen im August kamen, um aus den Häusern Arbeiter für das Reich zu rekrutieren, hatten sie das kleine flache Haus hinter der Biegung wohl einfach übersehen. Vielleicht lag es auch daran, dass der Laster schon bis zur Ladeklappe voll gewesen war. Die meisten jungen Leute des Dorfes waren einkassiert worden. Sarah war die Jüngste. Mit ihnen hatten sie noch Adam, einen handwerklich begabten Siebzehnjährigen, Alex, den heimlichen Schwarm von Esra, Florian, Saszkia, Katharina, die auf einem Auge blind war, und Susanna geholt. Zusätzlich hatten bereits drei unbekannte Jugendliche im Wagen gesessen, die sie mit weit aufgerissenen Augen anstarrten. Sie alle wurden nach Berlin gebracht. Dort warteten in einem schäbigen Gebäude, von dem Marie sagte, dass es in der Nähe vom Potsdamer Platz sei, schon andere Polen auf ihre Aufenthaltsdokumente und vor allem auf ihre neuen Arbeitsstätten. Niemand rebellierte oder versuchte, seinem Schicksal zu entrinnen. Es hätte auch keinen Zweck gehabt, denn es waren genügend SS-Männer in grauen Uniformen mit geladenen Gewehren um sie herum. Nacheinander wurden sie in ein Nebenzimmer gerufen, von dem aus sie mit verschiedenen Papieren wieder herauskamen. Marie war vor ihr an der Reihe gewesen. Wahrscheinlich waren sie deshalb gemeinsam auf d

Marie ist siebzehn Jahre, als sich ihr bisheriges Dasein drastisch verändert. Gemeinsam mit ihrer Schwester Sarah wird sie im Frühjahr 1941 als Ostarbeiterin nach Berlin gebracht. In Nazideutschland muss sie erfahren, dass sie als Halbjüdin keine Rechte mehr hat, weshalb sie alles dafür tut, ihre wahre Identität zu verschleiern. Ihr Leben wird zu einem Kampf, an dessen Ende ihr der Tod bereits zulächelt. Wagemutig stellt sich das Mädchen ihrem Schicksal und eine atemberaubende Flucht beginnt. In dem Buch Marie wird die Geschichte fünf verschiedener Personen erzählt, die sich in den Jahren des Zweiten Weltkriegs den Umständen dieser düsteren Zeit ausgesetzt sehen. Sarah und Marie Dostojewski werden von Polen nach Deutschland entführt, wo sie gezwungen werden, jede ihrer eigenen Wege zu gehen. Fritz Heider ist ein Opportunist des Regimes und erfreut sich daran, dass seinem Handeln keine Grenzen gesetzt werden, während sich sein Vater Heinrich Heider an der Ostfront mit einer herben Sinneskrise auseinander setzt. Liam O'Brien ist ein amerikanischer Immigrant, der eher zufällig in das Geschehen verwickelt wird. Doch genau wie die anderen Figuren sieht auch er sich irgendwann den essenziellen Fragen des Lebens gegenüber: Kann ich mir selber für meine Taten in die Augen sehen? Worum geht es im Leben? Was zählt am Ende wirklich?

Autorenporträt

Hinter den Kulissen Neben der Tatsache, dass ich 1980 in Starnberg bei München geboren wurde und meine Kindheits- sowie Jugendjahre in Schwabing verbringen durfte, gibt es noch einige andere Umstände, die meine Liebe zu Büchern, Geschichten und Erzählungen vieler Art gefördert haben. Am tiefsten geht die Erinnerung an meine erste eigene Erfahrung mit Büchern, den Abenden, an denen mir mein Vater aus Büchern von Astrid Lindgren und Michael Ende vorlas. Während meine Schwester und ich längst friedlich schlummerten, hat unser Vater immer weiter vorgelesen und dadurch wahrscheinlich einen wunderbareren Nährboden für eine ausschweifende Fantasie geebnet. In der Schule fielen mir Aufsätze und Erzählungen jeder Art leicht, trotzdem ist die Lust zum Schreiben nie über das Tagebuchniveau hinausgegangen. Erst als ich die wunderbare Heilung meines Sohnes nach schwerer Erkrankung und Organtransplantation miterlebt habe, ist der Funke übergesprungen, denn ich wollte unbedingt ein Buch über diese Erfahrung schreiben, um meinen Mitmenschen zu zeigen, dass man niemals die Hoffnung aufgeben darf. Aus dem Schreiben ist eine große Liebe geworden, deren Flamme immer weiter lodert.

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