Beschreibung
Für die improvisierte Versammlung am Montagmorgen war kein bestimmter Grund angegeben worden. Aber dass sie nichts Gutes verhieß, wussten die meisten. Nervöses Stimmengewirr erfüllte das Auditorium der Firma HDD Ltd., während die etwa fünfhundert Angestellten eintrafen. Die hinteren Reihen füllten sich als Erstes. Am wenigsten beliebt waren die vorderen Reihen, wo man direkten Blickkontakt vom Rednerpult riskierte. Die Aufsässigen ignorierten die leeren Plätze und stellten sich an die Wände. Vom Podium aus starrten fünf leere Stühle in die erwartungsvolle Menge. Als fast alle Platz genommen hatten, überquerte Niamh Lynch das Podest und setzte sich auf den äußersten Stuhl. Mit ernsten Mienen folgten ihr die Kollegen, einer nach dem anderen nahm seinen Platz ein. Malcolm Young, der Geschäftsführer, erschien erst, nachdem sich sein Management - sein Prellbock - eingefunden hatte. Er trat ans Pult und blickte auf seine Untergebenen hinab. 'Guten Morgen.' Seine Begrüßung rief trotziges Schweigen hervor. Er räusperte sich. Das Mikrofon verstärkte den unangenehmen Laut. Den Blick auf seine Notizen gerichtet, erklärte er: 'Heute werden wir zehn Prozent der Belegschaft in der australischen Zweigstelle verlieren. Sicher sind Sie alle über den Konjunkturabschwung der IT-Branche informiert. Darauf muss HDD reagieren und entsprechend Personal abbauen. Diese Entscheidung wurde aus rein wirtschaftlichen Gründen getroffen und hat nichts mit den Qualitäten der Mitarbeiter zu tun, die wir entlassen müssen.' Bevor er fortfuhr, sah er kurz auf. 'Es ist rein geschäftlich - nichts Persönliches ...' Bei seiner Wortwahl zuckte Niamh innerlich zusammen. Natürlich ging es um persönliche Dinge, und wie die Gesichter in den ersten Reihen des Auditoriums verrieten, dachte die Belegschaft genauso. Immerhin sprach Malcolm von den Jobs dieser Menschen, von ihrem Lebensunterhalt. Als Personalchefin hatte sie den Geschäftsführer gebeten, den Angestellten möglichst schonend beizubringen, was ihnen bevorstand. Aber offensichtlich ignorierte er ihren Rat. Seufzend verschränkte sie die Arme vor ihrer maßgeschneiderten Kostümjacke, in deren Ausschnitt der Kragen einer schlichten weißen Bluse schimmerte. Ihre widerspenstigen blonden Locken waren aus dem Gesicht gekämmt. Unter der Sonnenbräune zeigten sich Sommersprossen, die sie jünger erscheinen ließen als ihre dreißig Jahre. In der von Männern dominierten IT-Branche hatte es eine Frau schon schwer genug, besonders, wenn sie dem Management einer Firma angehörte. Da war es nicht besonders hilfreich, jünger auszusehen, als sie war. Malcolm kam allmählich in Fahrt, seine Stimme wurde immer gebieterischer und lauter. 'Letztes Jahr sind die Aktien stetig gefallen, und unsere Zentrale hat es sich zum Ziel gesetzt, diesem Trend entgegenzuwirken. Die Zentrale in Tokio hat sich den Analysten gegenüber verpflichtet, dass alle HDD-Tochtergesellschaften profitabel arbeiten werden. Bitte betrachten Sie diese Umstrukturierung als ersten Schritt in Richtung Profit und eines starken Aktienkurses.' Seit einem Jahr arbeitete Niamh für die australische Tochterfirma des japanischen multinationalen Konzerns HDD, und sie liebte ihren Job. Der progressive IT-Markt und der konservative japanische Einfluss sorgten für eine einzigartige Atmosphäre. Auf sozialer Ebene fühlte sie sich weniger wohl. Die Mitglieder des Managements hatten außerhalb des Betriebs keine gemeinsamen Interessen. Und Malcolm war erst seit zwei Monaten Geschäftsführer. Das Zusammenschweißen eines Teams schien nicht zu seinen Stärken zu gehören. Nun wanderte er vom Rednerpult zur Mitte des Podiums und musterte seine Mitarbeiter aus der Vogelperspektive. Seine korpulente Figur war die Folge zu vieler flüssiger Mahlzeiten und passte nicht richtig in den Nadelstreifenanzug. Sein Körper sah aus, als wäre er bereit für den Ruhestand. Genauso müde klangen seine hohlen Worte. 'Die australische Zweigstelle muss wieder einen Prof ...
Niamh Lynch war immer gern als Personalchefin für das große Unternehmen HDD tätig. Doch jetzt würde sie am liebsten alles hinschmeißen: Denn der Vorstand hat zahlreiche Veränderungen angekündigt a" und Niamh deren Organisation übertragen. Ganz besonders schwierig wird es für die junge Frau natürlich, wenn sie Kollegen wie dem charmanten Scott Morgan die Neuigkeiten beibringen muss ... Fesselnd, mitten aus dem Leben gegriffen und voll großer Gefühle!
Autorenporträt
Bernadette Carroll wurde 1971 im irischen Cork geboren und lebt heute mit ihrer Familie in Sydney, Australien. Sie arbeitet bei einem großen Software-Unternehmen und schreibt bereits an ihrem nächsten Roman.
