Biographie und Gesellschaft

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Überlegungen zu einer Theorie des modernen Selbst, Biographie- und Lebensweltforschung 10

ISBN: 3593394952
ISBN 13: 9783593394954
Herausgeber: Heidrun Herzberg/Eva Kammler
Verlag: Campus Verlag
Umfang: 510 S.
Erscheinungsdatum: 12.09.2011
Auflage: 1/2011
Produktform: Kartoniert
Einband: PB

International bekannte Autorinnen und Autoren loten die Potenziale der Biographieforschung für die Untersuchung des Ineinandergreifens von Individuum und Gesellschaft aus und wenden sich gegen populäre zeitdiagnostische Aussagen zum ‘Modernen Selbst’.

Artikelnummer: 1113450 Kategorie:

Beschreibung

Die äußerst starke Zunahme dessen, was man gewöhnlich als "Individualismus" bezeichnet, hat im Verlauf der letzten vierzig Jahre zu einer neuen Art der Beziehung von Individuum und Gesellschaft geführt und zu einer zunehmenden Vereinnahmung der individuellen Biographien durch die Institutionen. Die Tatsache, dass die biographische Gesellschaft, in der wir uns inzwischen befinden, die Erzählung des Selbst zum Ausgangspunkt und Widerpart von Anerkennung und kollektiver Solidarität macht, hat eine tief gehende Umwälzung sozialer und politischer Bindungen zur Folge. Dies führt zu der Frage nach den paradoxen Folgen des Zwangs, sich mitzuteilen, sich zum Erzähler seines Selbst zu machen, was ein Merkmal dieser Gesellschaft zu sein scheint. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit zwei historischen Zeitpunkten, den siebziger Jahren einerseits, unserer unmittelbaren Gegenwart andererseits. Ich werde zu zeigen versuchen, wie die Erzählung des Selbst und die biographische Dimension im Allgemeinen (das "Biographische"), abhängig von dem jeweiligen ökonomischen, sozialen und kulturellen Kontext dieser beiden Epochen, eine je andere Bedeutung erhalten und zu Verfahren und Praktiken führen, die nicht mehr dieselben sind. Um es schon in der Einleitung in einem Satz zu formulieren: Es stellt sich die Frage, wie der persönliche Gebrauch und Einsatz der Erzählung des Selbst zu einem sozialen wird und welche Konsequenzen eine solche Entwicklung sowohl für den Status der Erzählung des Selbst hat wie auch für die Stellung des Biographischen in der Gesellschaft und für den Prozess der Konstruktion des Selbst. Die Umwälzungen der siebziger Jahre und die Entstehung eines neuen Individualismus In welchem Sinne sind die späten sechziger und frühen siebziger Jahre für unser Thema eine bedeutsame Epoche? Für die Theoretiker und Praktiker der Biographieforschung sind die siebziger Jahre ein vertrauter Bezugspunkt: Tatsächlich entstehen in dieser Epoche neue Richtungen in der Pädagogik, unter anderem die an der Biographieforschung orientierte Richtung in der Aus- und Weiterbildung, insbesondere die ersten Projekte und Arbeiten von Gaston Pineau, zu der Zeit in Kanada, Pierre Dominicé in Genf und Guy des Villers und Michel Legrand in Belgien. Aber die siebziger Jahre sind auch ein wichtiger Bezugspunkt für Historiker, Soziologen, Ökonomen, Anthropologen, d.h. für alle, die versuchen, die charakteristischen Merkmale unserer jüngeren Geschichte zu analysieren, um unsere Gegenwart besser zu verstehen. Was also zeichnet die siebziger Jahre derart aus, dass so viele Gesellschaftsanalytiker in diesem Jahrzehnt einen Wechsel und eine gesellschaftliche Veränderung feststellen, deren Wirkungen wir auch heute noch spüren? Es handelt sich nicht um ein singuläres Ereignis, ein Einzelphänomen, sondern um ein Ensemble, ein Zusammentreffen von Faktoren, deren Konsequenzen wir noch gar nicht ermessen können. Was sich in diesen Jahren bildet, kann auf jeden Fall als eine neue Form der Beziehungen von Individuum und Gesellschaft beschrieben werden, die sich einerseits in einer Verstärkung und einer Neubewertung des Prozesses gesellschaftlicher Individuation niederschlägt, andererseits in der Entstehung eines "reflexiven" Individualismus, der den Wert persönlicher Selbstentfaltung in den Vordergrund stellt. Massenindividualismus In den siebziger Jahren beginnt die Entwicklung von bis dahin nie erreichten Formen der "Individualisierung der Gesellschaft", um einen Ausdruck von Pierre Rosanvallon (Rosanvallon 1995) zu verwenden. Der ökonomische und gesellschaftliche Kontext des letzten Jahrzehnts des Wirtschaftswunders (1965-1975) zeichnet sich aus durch starkes Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung und zunehmenden Konsum. Größere Einkommen, die Verbesserung der Lebensbedingungen und der Zugang der Mehrheit der Bevölkerung zur sogenannten Konsumgesellschaft verringern die materiellen Zwänge, die das ökonomische und soziale Leben belasten. Die Auffächerung de

International bekannte Autorinnen und Autoren loten die Potenziale der Biographieforschung für die Untersuchung des Ineinandergreifens von Individuum und Gesellschaft aus und wenden sich gegen populäre zeitdiagnostische Aussagen zum ''Modernen Selbst''.

Autorenporträt

InhaltsangabeInhalt Einleitung11 Teil I: Zur gesellschaftlichen Rahmung von Biographie Herausforderungen, Widersprüche und Risiken der "biographischen Gesellschaft" Christine Delory-Momberger29 Zwischen Bildungsbiographie und Lernen im Lebenslauf: Konstruktionen des Biographischen in der Politik des Lebenslangen Lernens Daniela Rothe43 Lernen im Leben oder die Ohnmacht der Pädagogen: Über die Selbstherstellung verhältnismäßiger Menschen und einen kleinen Widerspruch der Bildung Johannes Beck61 From Communitarian Civil Societies to Global Networks: Changing the Meaning of Civil/Civic Participation Marina Calloni77 Zielgruppenkonstruktion(en) auf Basis des Milieumodells? Ein kritischer Blick auf Milieuforschung und milieuorientierte Bildungsarbeit Jutta ReichClaassen/Aiga von Hippel/Rudolf Tippelt101 Teil II: Biographische Arbeit - Biographisches Lernen Biographien in der Pädagogik: Lebensgeschichten in pädagogischer und disziplingeschichtlicher Reflexion Margret Kraul121 Risiko, Versagen und Erinnern in Lebensgeschichten Theodor Schulze139 Biographie als Selbstkonstruktion des Menschen: Antonio Gramscis Briefwechsel mit Giulia und Tania Schucht Ursula Apitzsch159 Die andere Erinnerung und die Grenzen der Wahrheitsfindung: Spurensicherung hinter den Mauern des Vergessens Jörg Wollenberg191 Families in a Changing Society: how Biographies Inspire Education Laura Formenti215 Musicians Reaching out to People Living with Dementia: Perspectives of Biographical Learning Rineke Smilde229 Biographical Reconstruction as Applied Knowledge or Professional Competence? Wolfram Fischer245 Teil III: Zur Theoriebildung der Biographieforschung Biographische Perspektiven zwischen Empirie und Gesellschaftstheorie Thomas Göymen-Steck265 Bildung Macht Praxis? Vom Forschen mit Bourdieu'schen Heuristiken Birgit Griese/Martina Schiebel287 Biographie und Subjekt - Annäherungen an einen komplexen und widerspruchsvollen Sachverhalt Andreas Hanses333 Reflections on Biography: Remodelling the Lifecourse Tom Schuller351 Biographische Übergänge Inga Truschkat363 Biography and Generation John Field379 Experiencing Class: Working Class Adult Students in Higher Education Barbara Merrill397 Family Disputes: Science, Poetry and Subjectivity in Biographical Narrative Research Linden West415 Teil IV: Biographie in europäischer Perspektive Biographieforschung in Griechenland: Entwicklung unter dem Einfluss der "deutschen Schule" Giorgos Tsiolis/Skevos Papaioannou435 The Cultural and Intellectual Dialogue between Northern and Southern Europe: a Remaining Challenge for Biographical Research Pierre Dominicé459 Europäische Orientierungs- und Identitätsarbeit aus der Sicht europa-sensibilisierter Bürger der Europäischen Union: Aufriss eines Forschungsprojektes Fritz Schütze475 Autorinnen und Autoren505

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