‘Ich vergesse’

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Über Möglichkeiten und Grenzen des Denkens aus philosophischer Perspektive

ISBN: 359350524X
ISBN 13: 9783593505244
Autor: Abbt, Christine
Verlag: Campus Verlag
Umfang: 409 S.
Erscheinungsdatum: 15.07.2016
Auflage: 1/2016
Format: 2.3 x 21.2 x 14
Gewicht: 521 g
Produktform: Kartoniert
Einband: PB

“Ich vergesse” – Diese erschreckende Feststellung wird innerhalb der Geschichte der Philosophie in unterschiedlicher Weise begleitet von einem philosophischen Staunen; einem Staunen über die eindrückliche und gleichzeitig rätselhafte Fähigkeit des Menschen, an sich selbst Vergessen zu bemerken. Die Untersuchung der Formen individuellen Vergessens führt vor Augen, inwiefern der Mensch seinem Denken selbstbestimmt eine Richtung geben kann und auch, inwieweit dies nicht gelingt. Sie liefert damit einen Beitrag zu einer aktuellen Theorie des Gedächtnisses aus geisteswissenschaftlicher, insbesondere philosophischer Perspektive.

Artikelnummer: 8869323 Kategorie:

Beschreibung

Einleitung Vergessen. Was ist das? Die Frage nach dem Vergessen mag vielen nicht unmittelbar als eine philosophische und vielleicht auch nicht sofort als eine gesellschaftspolitisch relevante erscheinen. Das wiederum ist bemerkenswert. Der Eindruck, "Vergessen" stelle kein zentrales Thema der Philosophie dar, verweist seinerseits auf eine konkrete historische und kulturelle Situation. Wer einen Blick in die Philosophiegeschichte wirft, bemerkt jedenfalls, dass das Staunen, mit dem bekanntlich die Philosophie beginnt, ein Staunen ist, das u.?a. angesichts der bemerkenswerten Fähigkeit des Menschen einsetzt, sein eigenes Vergessen denken zu können. In den Überlegungen von Sokrates in Platons Dialog Menon wird die Einsicht in das eigene Vergessen als Ausgangspunkt des Lernprozesses vorgestellt, und Aristoteles legt in der Schrift De Memoria et Reminiscentia nahe, dass das Feststellen des eigenen Vergessens eine Form anspruchsvoller Deduktion darstellt. Während alle Lebewesen vergessen und erinnern, zeichnet sich nach Aristoteles der Mensch dadurch aus, sein Vergessen und Erinnern bemerken und das Vergessene, zumindest teilweise, rekonstruieren zu können. Um das eigene Vergessen zu wissen und nach den Formen und Funktionen des Vergessens zu fragen, ist eine außerordentliche Leistung. Darauf verweisen nicht nur philosophische Texte in der Antike. In jüngerer Zeit heben verschiedene wissenschaftliche Publikationen den engen Zusammenhang zwischen individuellen Denkleistungen und Formen von Vergessen hervor. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts und noch einmal verstärkt in den letzten Jahren lässt sich in verschiedenen Wissenschaften ein wachsendes Interesse am Vergessen ausmachen. Nicht etwa Fragen zu Alzheimer und Demenz stehen dabei im Vordergrund, auch wenn die Forschungsliteratur in den letzten Jahren in Bezug auf diese Krankheitsbilder ebenfalls rasant angewachsen ist und das Sensorium für Fragen im Zusammenhang mit Vergessen geschärft hat. Die wissenschaftliche "Wiederentdeckung" des Vergessens ist vor allem von einem neugierigen Blick auf die konstruktiven Aspekte von Vergessen geprägt. Die in der einschlägigen Fachliteratur verwendete Rede von einem "Paradigmenwechsel" in Bezug auf das Vergessen verweist dabei auf einen Kontext, innerhalb dessen Vergessen vorwiegend als Defizit vorgestellt worden war. Die Auffassung, "Vergessen" könne kaum als ein sinnvoll zu diskutierender Gegenstand der Philosophie gelten, geht auf Erfahrungen und Überlegungen zurück, die sich im 20. Jahrhundert etabliert haben. Vergessen wird dabei sowohl philosophisch als auch in der Wahrnehmung einer breiten Öffentlichkeit in eine deutliche Opposition zu Denken und Erinnern gerückt. Diese Setzung wirkt bis heute nach. Erst im Hinblick auf sie macht die Rede von einem "Paradigmenwechsel", der sich gegenwärtig in Bezug auf das Vergessen vollzieht, Sinn. Trotz der Bemühungen verschiedener Wissenschaften, insbesondere der Neurowissenschaften, der Psychologie und der Sozialwissenschaften, um einen möglichst nüchternen Blick auf das Vergessen, gilt dieses in weiten Teilen des gesellschaftlichen Diskurses, aber auch in der Philosophie und Kulturtheorie nach wie vor als das Gegenteil von "Erinnern", "Gedächtnis" und "Denken" und/oder als ein obsoleter Forschungsgegenstand. Ein Ziel der vorliegenden Ausführungen ist es, diesen beiden Vorstellungen entgegenzutreten und sie zu widerlegen. Einerseits geschieht dies im Folgenden durch die Einbeziehung einer historischen Perspektive, die sichtbar macht, dass und wie Vergessen in unterschiedlichen Zeiten und kulturellen Zusammenhängen als Gegenstand philosophischer Reflexion und Analyse ernst genommen und diskutiert worden ist. Damit wird ein Beitrag geleistet zur Erweiterung und Differenzierung eines bisweilen eingeschränkten Vokabulars. "To describe what has been termed >memory<, we need a language, a whole vocabulary - and not the limited terminology offered by current memory discourse." Der Blick in Texte, Tra

Ich vergesse - Diese erschreckende Feststellung wird innerhalb der Geschichte der Philosophie in unterschiedlicher Weise begleitet von einem philosophischen Staunen; einem Staunen über die eindrückliche und gleichzeitig rätselhafte Fähigkeit des Menschen, an sich selbst Vergessen zu bemerken. Die Untersuchung der Formen individuellen Vergessens führt vor Augen, inwiefern der Mensch seinem Denken selbstbestimmt eine Richtung geben kann und auch, inwieweit dies nicht gelingt. Sie liefert damit einen Beitrag zu einer aktuellen Theorie des Gedächtnisses aus geisteswissenschaftlicher, insbesondere philosophischer Perspektive.

Autorenporträt

Christine Abbt, Prof. Dr., ist SNF-Förderungsprofessorin für Philosophie an der Universität Luzern.

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