Gottfried Benn – Ernst Jünger

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Briefwechsel 1949-1956

ISBN: 360893619X
ISBN 13: 9783608936193
Autor: Benn, Gottfried/Jünger, Ernst
Herausgeber: Holger Hof
Verlag: Klett-Cotta
Umfang: 154 S., 4 Faks.
Erscheinungsdatum: 25.06.2006
Format: 1.7 x 17.8 x 11.5
Gewicht: 197 g
Produktform: Gebunden/Hardback
Einband: GEB

‘Zweite Botschaft an Gottfried Benn. Die erste vor dreißig Jahren hat ihn nicht erreicht.’ Ernst Jünger, 1949

Dieser kleine Austausch zweier großer Autoren der literarischen Moderne, die im Feuilleton so gern in einem Atemzug genannt werden, kreist um die Themen ihrer Bücher, um Drogen, das Reisen und kulturpolitischen Klatsch. Er ist aber auch das Dokument der Empfindlichkeiten und der Konkurrenz zweier sprachlich und gedanklich eminent radikaler Autoren, die uns noch heute erstaunen.

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Artikelnummer: 1577581 Kategorie:

Beschreibung

Nachwort I 'Ich bin ein gefährlicher K.O. Schläger.'1 Nur äußerst selten bekommt man beim Studium von Gottfried Benns Diarium durch seinen Schreiber das Gefühl vermittelt, daß er gut gelaunt oder etwa fröhlich gewesen sein könnte. Ganz im Gegenteil: Von down, sehr down, tief down, schwer down, ungewöhnlich down und sehr sehr down über marode, migränoid, müde oder mürbe bis hin zu tiefe Trübsal reichen die Bekundungen des Mißbefindens, um nur einige Vokabeln zu nennen, welche die tiefe Niedergeschlagenheit Benns, formelhaft wie die Litaneien des Wetters mit den täglich zum Teil mehrfach notierten Temperaturen und dem Auf und Ab des Saldos, in der Rückschau gedrängt und sich dem Ablauf der Tage aufprägend, zum Ausdruck bringen. Der 16. Mai 1953 war offenbar in eine ganz andere Stimmung getaucht: 'Schöner Tag. 25° +', so weist die Seite des Taschenkalenders nämlich oben links unter der Zeile auf, die dokumentiert, daß Gottfried Benn an diesem Tag 17 Mark von drei Privatpatienten eingenommen hat. Seinen Eintragungen an den Tagen zuvor entnimmt man: Es ist der erste nach vier Tagen des Nichtrauchens. Ein weiterer Versuch, sich dieses Laster abzugewöhnen, war demnach glücklich gescheitert, und wie gesagt, es war ein schöner Tag! Am Abend dieses heißen Samstags im Frühling saß Benn noch kurz bei Dramburg, in einer seiner Stammkneipen, und schrieb auf, worüber er am nächsten Tag mit seinem Verleger Max Niedermayer im allsonntäglichen Telefonat sprechen wollte. Ganz unten auf der Seite findet sich dann ein ganz erstaunliches Notat: 'vor 1 Jahr Jünger'. Erstaunlich ist es vor allem deshalb, weil die Tatsache, daß sich Benn an jenem Abend an den 'interessanten Besuch' des 'berühmtesten Schriftstellers Deutschlands', dessen 'Vorname Ernst' ist, erinnert2, die Frage aufwirft, was genau ihn zu dieser Eintragung gebracht haben könnte. 'Abends Boxen Stretz Hecht' steht da noch. Mitten auf der Seite. Doppelt unterstrichen. Schwungvoll - und nahezu unleserlich. Ob Benn einer Rundfunkübertragung der Veranstaltung zugehört hat oder ob er den Kampf um die Deutsche Meisterschaft im Halbschwergewicht zwischen dem 25jährigen Hans Stretz aus Erlangen und dem Berliner Lokalmatador, dem fünf Jahre älteren Gerhard Hecht, in der Potsdamer Straße im Sportpalast mit eigenen Augen gesehen hat - dort, wo nicht einmal zehn Jahre zuvor Joseph Goebbels dem deutschen Volk den 'totalen Krieg' proklamierte -, darüber läßt sich nur spekulieren. Wahrscheinlich aber im Radio. Sehr wahrscheinlich beim ersten deutschen Schwergewichts- Meister Otto Flint, in dessen Kneipe in der Innsbrucker Straße. Jedenfalls hat der Berliner an jenem Abend den Herausforderer aus Erlangen k.o. geschlagen und sich somit den Titel gesichert. Ein Boxkampf. Ja, so kann es gewesen sein. Ein Kampf - Mann gegen Mann. 'Sollen sie nur alle anfangen, mich zu vernichten, ich bin ein gefährlicher K.O.Schläger und werde mich schon meiner Haut wehren.'3 Und hatte Benn nicht (mit demselben Hang zur Boxmetaphorik) an Oelze geschrieben: 'Bense hat mir seinen 26 Seiten langen Aufsatz gesandt. Ich liess ihn von meiner Frau lesen, die ja mein Lektor ist für Dinge, auf die ich gerade nicht gestimmt bin. Sie sagt, aufs Äusserste vorsichtig und verdeckt legt er Jünger zu Boden ('Plüsch') u ebenso reserviert u zurückhaltend stellt er dann mich als Mann der Stunde dar.'4 Auf den Tag genau vor einem Jahr waren sie aufeinander getroffen. War es wirklich sein härtester Fight? Mit wem war er denn im letzten Jahr noch in den Ring gestiegen? Thilo Koch, Friedrich Sieburg, die Freunde Frank Maraun und F.W. Oelze, Thea Sternheim und Tochter Mopsa, Rudolf Krämer-Badoni - also keine gefährlichen Gegner. Bei Ernst Jünger sah das anders aus. Der mußte als Rivale ernst genommen werden, auf Distanz (zuweilen auch klein) gehalten: '. hinsichtlich dessen ich den Eindruck habe, dass seine Mythe stark im Verblassen ist'5. Die Nähe zu Benn, die ihm das Feuilleton seit Jahren zuschrieb, war diesem sowieso ein Dorn

'Wir sind von außen oft verbunden, / wir sind von innen meist getrennt, / doch teilen wir den Strom, die Stunden / den EcceZug, den Wahn, die Wunden / des, das sich das Jahrhundert nennt.' Dieses berühmte Gedicht Gottfried Benns ist überschrieben: 'An Ernst Jünger'. Es ist wohl der künstlerische Kulminationspunkt einer Beziehung, die mit einem Brief Jüngers Anfang der zwanziger Jahre begann: Jünger hatte damals Benns 'Rönne'-Prosa bewundert. 1949 dann beginnt eine schriftliche Annäherung Jüngers an den bewunderten Dichterkollegen. Im Lauf der nächsten sechs Jahre, bis zu Benns Tod im Juli 1956, wechseln die beiden ca. 50 Briefe, Telegramme, Postkarten und Widmungsexemplare. Im Mai 1952 kommt es zum einzigen persönlichen Zusammentreffen in Benns Wohnung, Berlin Schöneberg. Dieser Abend, an dem auch der Cognac reichlich fließt, ist in einer hinreißenden Passage der 'Annäherungen' Jüngers beschrieben.

Autorenporträt

Gottfried Benn, 1886 2. Mai in Mansfeld geboren. 1905-1910 Medizinstudium in der Kaiser-Wilhelm-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen in Berlin. Approbation. 1912 Veröffentlichung des ersten Gedichtheftes als Lyrisches Flugblatt: Morgue und andere Gedichte. 1913 Übernimmt die Leitung des Pathologischen Instituts am Städtischen Krankenhaus in der Sophie-Charlottenstraße. 1914 Zieht als Militärarzt ins Feld. Nimmt an den Kämpfen in Belgien teil. 1915-1917 Oberarzt im Militärgouvernement Brüssel. Entlassung aus der Armee. 1917 Die gesammelten Gedichte erscheinen im Verlag der Aktion unter dem Titel: »Fleisch«. Gottfried Benn läßt sich als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Berlin nieder und führt hier seine Praxis bis 1935. 1922 Die Gesammelten Schriften erscheinen im Erich Reiss Verlag in Berlin. 1932 Benn wird Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, Abteilung Dichtung. 1933-1934 Vorübergehend im Bannkreis der nationalsozialistischen Ideologie. 1935 Benn verläßt Berlin und läßt sich als Oberstabsarzt in Hannover reaktivieren. Es erscheinen die Ausgewählten Gedichte, Benns letzte Publikation in der Nazizeit. Schwere Angriffe gegen Benn in »Das Schwarze Korps« und im »Völkischen Beobachter«. 1937-1945 Benn wird nach Berlin versetzt. Tätigkeit im Militärischen Versorgungswesen als Gutachter in Fürsorge- und Rentenfragen. Ausschluß aus der Reichsschrifttumskammer und Schreibverbot. 1943 als Oberarzt nach Landsberg a.d. Warthe. 1945 Rückkehr nach Berlin. 1946-1948 Praxiseröffnung. Veröffentlichungsschwierigkeiten. 1951 Verleihung des Büchner-Preises in Darmstadt durch die Akademie für Sprache und Dichtung. 1953 Benn gibt die ärztliche Praxis auf. 1956 7. Juli. Tod Gottfried Benns in Berlin. 

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